… Das weite Land, woher sie kommt / … The Vast Land From Which She Comes
von Isa ROSENBERGER in Zusammenarbeit mit Loulou OMER
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… DAS WEITE LAND, WOHER SIE KOMMT I … THE VAST LAND FROM WHICH SHE COMES
Auf Einladung von Başak Şenova wurde eine erste Version des Projekts von Isa Rosenberger während ihrer Teilnahme an der interdisziplinären Plattform CrossSections produziert und von 3. bis 19. Juli 2019 in der Kunsthalle Exnergasse in Wien präsentiert.
Anschließend wird das Projekt für die Ausstellung bei Camera Austria, Graz, 2020 entwickelt.
Camera Austria vom 2. Juni – 30. August 2020
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Isa Rosenberger lebt und arbeitet in Wien. Sie studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien und an der Jan van Eyck Akademie in Maastricht. Außerdem lehrt sie als Senior Lecturer an der Akademie der bildenden Künste in Wien.
Isa Rosenbergers recherchebasierte künstlerische Praxis richtet den Blick auf alternative Lesarten von Geschichte und legt stumme, unterdrückte, verlorene oder vergessene Geschichte(n) frei. In ihren Projekten reflektiert sie – vielfach aus einem feministischen Blickwinkel – generationenübergreifende Wissensformen, persönliche Geschichten und Diskurse, die über mitunter große geographische Distanzen und Zeiten hinweg migrieren. Sie bringt unterschiedliche Kontexte, persönliche Erfahrungen und makropolitische Strukturen in nachvollziehbare Zusammenhänge und aktiviert vermeintlich zeitlich oder räumlich auseinander liegende Ereignisse in unserer Gegenwart.
Sie hat ihre künstlerischen Arbeiten international in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen gezeigt. Im Jahr 2008 erhielt sie den Otto Mauer Preis und 2012 den Outstanding Artist Award für Video- und Medienkunst.
Statement
In ihrer künstlerischen Praxis richtet Isa Rosenberger ihren Blick immer wieder auf vergessene (oder verdrängte) Geschichten, um ihnen einen Kontext in der Gegenwart zu eröffnen und damit auch alternative Lesarten von Geschichte zu ermöglichen.
1934 wurde im Wiener Volksheim Ottakring ein choreografisches Stück von Gertrud Kraus mit dem Titel „Die Stadt wartet“ aufgeführt. Es basiert auf dem Märchen „Musik der Großstadt“ von Maxim Gorki. Kraus' Stück spiegelt die Reise eines Jungen durch eine Großstadt und die damit verbundenen Ängste und Faszination für das Leben wider. Isa Rosenbergers Projekt versteht sich als Versuch, dieser Leerstelle und dieser historischen Diskrepanz näher zu kommen.
Für dieses Werk arbeitet Isa Rosenberger mit Loulou Omer zusammen, deren Mutter, Zipora Lerman, Schülerin von Gertrud Kraus in Tel-Aviv war. Die Ausstellung orientiert sich an der Idee der „Bühne“ als performativen Raum, der auch als politischer und gesellschaftlicher Brennpunkt gesehen werden kann. Im Mai 2019 machte Isa Rosenberger eine Fotoserie, die Loulou Omer beim Tanzen, Singen und Klavierspielen zeigt, während sie gleichzeitig auf das reagiert, was sie auf der Theaterbühne des Volksheim Ottakring in Wien spielte, wo einst Kraus stand und ihr Stück vorstellte.
Gertrud Kraus, expressionistische Tänzerin und Choreografin, auch „moderne“ Pädagogin, wurde in Wien geboren. Sie leitete eine Kompanie und eine Schule, zunächst in ihrer Heimatstadt, später in Tel Aviv, nachdem sie 1935 vor dem Naziregime geflohen ist. Zwischen 1950 und 1951 gründete sie das „Israel Ballet Theatre“.
In diesem „Kontext“ ist Omers Auftritt zugleich eine Herausforderung – wie eine Ode an Kraus, an das Vermächtnis und an das Erzählen ihrer persönlichen Geschichte; zu ihrem eigenen Unternehmen der Rekonstruktion und Versöhnung von Identitäten auf neuen Grundlagen; und ihren künstlerischen Ansatz als Widerstandsform und Ausdrucksmöglichkeit.
Das Projekt nutzt den Tanz als einen spezifischen poetischen Raum, in dem sich Kunstformen, Zeiten und Bilder mit neuen und sich überschneidenden Referenzen verflechten. Aus dieser Zusammenarbeit sind ein Video und eine Fotoserie entstanden, die alle Elemente von Rosenbergers Forschung miteinander verbinden.
Die Praxis von Loulou Omer, ähnlich der von Kraus, umfasst viele künstlerische Formen und Ansätze. Ihre Migration erfolgte jedoch von Tel Aviv nach Europa; so brachte sie nicht nur Erinnerungen mit nach Wien, sondern auch die Kenntnis der vielseitigen künstlerischen Ansätze ihrer Mutter. Rosenberger wählte für ihren Auftritt die Bühne Volksheim Ottakring als Einstiegspunkt für Loulou Omers kreatives Schaffen. Es basiert auf Omers Reflexionen über Choreografie, Gesang, Tanz und die Erinnerung an ihre Mutter und die Werke von Kraus. Sie beschreibt eine starke und tiefgründige Frau, die den Komplexitäten und Widersprüchen dieser Künstlerin, ihrer Mutter und sich selbst nachgeht. Mit jeder Handlung, die sie vorführt, jedem Wort, das sie buchstabiert, jeder Note, die sie spielt, und jeder Erinnerung, an die sie sich besinnt, wird die Welt von Omer repräsentiert. Indem Rosenberger auf das Erbe von Kraus mit einer Migrationsreise nach Suche, Antworten und Entfaltung erwidert, lädt sie das Publikum zu dieser Reise ein, indem es in Omers Welt eintaucht. Einmal schrieb Kraus eine Zeile in ihr Skizzenbuch: „Was ist der Einstiegspunkt? . . . Der Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt . . .
In Zusammenarbeit mit LOULOU OMER
Full HD Video I 21:33 min I Deutsch mit Engl. Untertitel
Choreografie, Tanz, Sprache, Musik: Loulou Omer | Kamera: Reinhard Mayr / AAC | Sound/Ton: Gustavo Petek, Reinhard Mayr | Skript: Isa Rosenberger, Loulou Omer | Bearbeitung: Isa Rosenberger
Fotos : © Reinhard Mayr, © Markus Krottendorfer